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Studie: Mieten machen arm

Eine Frau sitzt in einer Küche und zeigt mit besorgtem Gesichtsausdruck auf ihr leeres Portemonnaie. Auf dem Tisch liegen Geldmünzen, einige Euro-Scheine, Dokumente und eine Kaffeetasse.

17,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Wohnarmut betroffen. Das ist jeder Fünfte und sind insgesamt 5,4 Millionen Armutsbetroffene mehr als nach den bisherigen Berechnungen. Grund: „Wohnen entwickelt sich immer mehr zum Armutstreiber“, erklärt der Paritätische Gesamtverband, der die Zahlen ausgewertet und jetzt einen Appell an die Politik veröffentlicht hat, endlich aktiv zu werden – mit fairen Löhnen, einer besseren sozialen Absicherung und vor allem einer Wohnungspolitik, die für bezahlbare Mieten sorgt.

Wohnkostenbereinigte Armutsschwelle

Der Paritätische Gesamtverband geht mit seiner Expertise einen völlig neuen Weg, der in einem alarmierenden Bild mündet. Wobei „alarmierend“ das Ergebnis fast schon verharmlost. Denn eine Quote von 21,2 Prozent Armutsbetroffener ist eher skandalös für ein wohlhabendes Land wie die Bundesrepublik. Wie es zu diesem rapiden Anstieg Betroffener kommen konnte: Weil man im Kontext von Armut bislang fast ausschließlich das Einkommen berücksichtigt hat. Der Paritätische hat zusätzlich die Wohnkosten einfließen lassen, die das verfügbare Einkommen schmälern und somit immer mehr Menschen in die Armut treiben.

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Warum man mit 1.800 Euro arm sein kann

Dazu nennt der Verband gleich mehrere Beispiele. Mit 1.800 Euro Einkommen sollte man eigentlich nicht arm sein. Wenn allein für die Wohnung aber 800 Euro monatlich aufgebracht werden müssen, bleiben zum Leben nur noch 1.000 Euro. Der wohnkostenbereinigte Schwellenwert, ehe man von Armut spricht, liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 1.016 Euro. Im genannten Beispiel liegt der Betroffene 16 Euro unter diesem Wert. Kurzum: Wohnen macht arm oder vielmehr, Wohnen kann arm machen. Das ist auch der Grund, warum es nicht 12,1, sondern 17,5 Millionen Armutsbetroffene in Deutschland sind.

Überbelastung durch Miete und Co.

Die bisherige Binsenweisheit, die Miete sollte nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen, hat hierzulande schon lange keine echte Grundlage mehr. Bereits 2022 hat über ein Drittel der Haushalte mehr für Wohnen ausgeben müssen. Bei vielen Haushalten machen die Wohnkosten inzwischen fast die Hälfte des Einkommens aus. Bei Armutsbetroffenen sind es im Schnitt 46 Prozent. Um diesen Wert in Relation zu setzen: Laut Eurostat liegt eine Überbelastung bereits bei 40 Prozent vor.

Wohngeld hilft nur bedingt

Selbst mit Wohngeld lässt sich dieses Problem nur bedingt in den Griff bekommen. Auch dazu hat der Paritätische Gesamtverband ein Beispiel in seiner Expertise. Eine Rentnerin mit 1.700 Euro muss in eine barrierefreie Wohnung ziehen. Die Warmmiete in Berlin ist mit 900 Euro vergleichsweise günstig. Dennoch landet die Frau damit 146 Euro unter der Armutsschwelle. Laut Wohngeldrechner gäbe es knapp 40 Euro. Damit fehlen nach wie vor 100 Euro.

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Erwerbslose sind besonders betroffen

Dass Menschen ab 65 Menschen oft unter Wohnarmut leiden, sollte also nicht verwundern. Hier liegt der Anteil bei 27,1 Prozent. Höher sind die Werte bei jungen Erwachsenen (31 Prozent), Alleinerziehenden (36 Prozent) und Alleinlebenden (37,6 und 41,7 Prozent im Rentenalter) sowie bei Erwerbslosen mit 61,3 Prozent. Regional betrachtet, bildet Bremen mit 29,3 Prozent das Schlusslicht nach Sachsen-Anhalt (28,6 Prozent) und Hamburg (26,8 Prozent).

Lösungsansätze

Um Armut zu vermeiden, schlägt der Paritätische Gesamtverband eine Reihe von Maßnahmen vor. Der Mindestlohn müsste auf 15 Euro angehoben und die Tariftreue eingeführt werden. Überdies seien höhere kinderbezogene Leistungen, eine zukunftsfeste und armutsvermeidende Rente, eine Ausweitung des Wohngelds, höhere Regelbedarfe im Bürgergeld und eine bessere Arbeitsförderung nötig. „Ansonsten drohen zunehmend mehr Menschen in Deutschland arm zu werden oder tiefer in Armut zu geraten“, mahnt der Verband.

Titelbild: BearFotos / shutterstock

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